WHO erkennt Spielsucht als Krankheit an – Experten zweifeln
Wenn das Spielen am Computer wichtiger wird als Freunde, Schule, Job oder familiäre Verpflichtung – dann sprechen Experten in der Regel von einer Sucht. Wie WHO sieht das genau so und hat Spielsucht nun offiziell als Krankheit anerkannt. Damit ergeben sich für Betroffene neue Wege zu wirksamen Therapien.
Wenn Ärzte in Deutschland die Diagnose „Spielsucht“ stellen sollten, dann taten sich die Mediziner oft schwer damit. Zwar spielen über 30 Millionen Deutsche regelmäßig Computerspiele, doch ab wann kann und darf man von einer Sucht sprechen? Dafür brauche es, so der Konsens der Ärztekammern, klare Kriterien, und diese müssen von der Weltgesundheitsorganisation kommen. Die WHO ist dem Aufruf gefolgt und hat Video- und Online-Spielsucht nun international als Gesundheitsstörung anerkannt.
Auf der Jahrestagung der WHO wurde „Spielsucht“ formell und unter der internationalen Klassifikation der Krankheiten „ICD-11“ angenommen. Am 1. Januar 2022 trifft der neue Katalog dann auch offiziell in Kraft.
Ab wann spricht die WHO von einer Video- und Online-Spielsucht
In der Neufassung des WHO-Katalogs heisst es, dass eine Video- und Online-Spielsucht dann vorliegt, wenn der Betroffene über einen Zeitraum von 12 Monaten alle anderen Aspekte des täglichen Lebens dem Spielen am Computer unterordnen. Dazu gehört etwa die Vernachlässigung von Familie und Freunden, Job oder Schule, sowie die eigene Körperhygiene.
Die WHO hofft, dass Ärzte anhand der neuen Kriterien Spielsucht nicht nur besser erkennen können, sondern im Idealfall vorbeugende Maßnahmen einleiten können, um eine beginnende Sucht zu verhindern. Für einen reibungslosen Ablauf zwischen Medizinern und Krankenkassen lässt sich die neue Verfügung der WHO reibungslos in die Informationssysteme der Gesundheitsbehörden integrieren. Dafür wurde jeder Störung ein eigener Code zugewiesen. Für zwanghaftes Video und Online-Spielen heisst dieser „6C51“.
Experten melden Zweifel an
Nicht jeder vertritt die Auffassung der WHO und stellt die Einstufung von Spielsucht als Krankheit in Frage. Professoren der University of Sydney etwa merken an, dass Online- und Videospiele auch positive Wirkung auf Kinder, Jugendliche sowie Erwachsene haben und es weiteren Untersuchung bedarf, bevor von einer Sucht gesprochen werden könne.
Professor Alex Blaszczynski, Direktor der Gambling Treatment Clinic an der Universität in Sydney, ist der Auffassung, dass man zuerst den Zusammenhang zwischen dem Spielen, dem sozialen Umfeld der Person sowie weitere Persönlichkeitsmerkmale untersuchen muss. Für einige Menschen, so der Mediziner, ist das Spielen am Computer oftmals der einzige Weg um soziale Kontakte zu knüpfen.
Andere Experten erklären, dass stundenlanges Spielen am Computer gerade bei Jugendlichen oft nur eine Phase ist und nicht leichtfertig als psychische Störung eingestuft werden dürfe.
Gaming-Industrie kritisiert das „Verteufeln“ von Online-Spielen
Natürlich hat sich auch die Gaming-Industrie bereits zu Wort gemeldet und kritisiert die einseitige Betrachtungsweise von Online-Spielen. Zwar gibt es natürlich Fälle von Spielsucht, aber nicht jeder, der viel spielt, sollte in Gefahr laufen als therapiebedürftig eingestuft zu werden. Zudem merken Gesundheitsexperten an, dass Online-Spiele weitere positive Eigenschaften mit sich bringen – etwa die Förderung des logischen Denkens oder der Reaktionsschnelligkeit.